Bei einem meiner Besuche in den Niederlanden war ich mit meiner damaligen Freundin im “Burgers’ Zoo” in Arnhem. Wir waren fasziniert von den riesigen Gehegen, die den Tieren unglaublich viel Auslauf ließen. Das Gehege mit dem Pelikanen war mit einer Hecke umgeben, die ein Erwachsener gut hätte überwinden können. Zumindest hätte er den Arm ins Gehege stecken können, weswegen hier ein Schild aufgestellt war: “Vogels picken!” Für den Fall, dass man das nicht verstand, war auch noch ein Bild gemalt, das zeigte, wie ein Pelikan nach einem unbedachten Besucher schnappte.
Neben besagtem Schild stand eine Bank und auf jener saß ein älteres niederländisches Ehepaar. Der Mann sprach uns unvermittelt an, er deutete auf das Schild und sagte irgendwas mit “oppassen”. Sein Lächeln verriet mir, dass er wohl gerade einen Witz gemacht hatte, den wir aber leider – mangels Sprachkenntnisse – nicht verstanden hatten. “Ähm, sorry, Deutsch”, gab ich zurück und zu meiner Überraschung bekam ich eine Antwort auf Deutsch: “Ach so. Verstehst Du, ich habe einen Witz gemacht. Ich habe gesagt, dass Ihr auf Eure Geldbeutel aufpassen müsst. ‘Picken’ auf Niederländisch heißt ‘schnappen’, aber es heißt auch ‘jemandem etwas stehlen’.”

Das war nicht das erste und auch nicht das einzige Mal, dass wir einfach so angesprochen wurden. Im Zoo, im Imbiss, in unserer Unterkunft, überall. Oftmals war der Auslöser, dass unsere Umgebung mitbekam, dass wir Deutsche sind. Einmal machten wir uns zusammen mit einem Niederländer über die Tatsache lustig, dass ein Souvenirladen in Amsterdam eine Kuckucksuhr anbot, auf der sogar ein Mädel in typischer Schwarzwaldtracht (!) dargestellt war. “Da kommen die Amerikaner und die Japaner und denken, das ist typisch niederländisch”, sagte der Niederländer. Auch mich amüsierte der Gedanke an einen Amerikaner, der zurück in seiner Heimat seinen Freunden die “famous Dutch cuckoo clock” präsentiert.
Aber können wir selbst so sicher sein, dass wir wissen, was “typisch niederländisch” ist?

Im Agenda-Verlag ist zu genau diesem Thema ein Buch erschienen: “Typisch niederländisch – Die Niederlande von A bis Z” von Gerd Busse. Der Autor ist Projektentwickler und Berater in deutsch-niederländischen Bildungsprojekten, er hat einige Jahre in den Niederlanden studiert und auch gearbeitet. Und offenbar hat er nicht nur Studien in seinem Fachbereich betrieben, er hat auch die Niederländer als solche studiert. Das Buch richtet sich explizit an Deutsche, denn neben den Dingen, die vermutlich jeder als “typisch niederländisch” bezeichnen würde (Holzschuhe, Tulpen, Windmühlen) geht es auch um die Unterschiede in der Mentalität und warum ahnungslose Deutsche gern mal an der niederländischen Arbeitsweise verzweifeln. Sein Buch ist zwar aufgebaut wie ein Lexikon, die Themen sind alphabetisch sortiert und es gibt Querverweise, aber der Stil ist niemals trocken, sondern Busse erzählt immer mit einem kleinen Augenzwinkern. Der Lexikonstil hat zudem einen Vorteil, man findet Passagen zu bestimmten Themen einfacher wieder, kann das Buch aber trotzdem von Anfang bis Ende durchlesen wie jedes andere Werk.
Außerdem kommen auch die nicht so ganz positiven Dinge zur Sprache, wie etwa die niederländische Kolonialzeit, der Rechtspopulismus eines Pim Fortuyn und Geert Wilders oder das Versagen der niederländischen UN-Truppen 1995 beim so genannten “Massaker von Srebrenica”.

Das Buch wendet sich an Menschen, die die Niederlande besuchen und mehr über ihre Bewohner erfahren wollen, sei es als Touristen oder weil man dort studieren oder arbeiten möchte. Auch werden dem Leser Tipps im alltäglichen Umgang gegeben und für Verständnis geworben. Tatsächlich bekommt man nach der Lektüre Lust, manche der angesprochenen Dinge selbst zu erleben, etwa die improvisierende Arbeitsweise, die einem “planungsgewohnten” Deutschen arg unorthodox vorkommen muss. Auch fand ich amüsant, dass die Niederländer – wenn die Situation entsprechend ist – so fluchen können, dass selbst einem Kapitän Haddock die Schamesröte ins Gesicht steigen würden: “Krijg de cementpokken op je borst, dan kan je bounkers bouwen, vuile pestpokkenteringlijder!” wird als extremes Beispiel angeführt. Für die deutsche Entsprechung dieses Fluchs würde man wahrscheinlich drei Klagen von vier verschiedenen Anwälten kriegen: “Ich wünsch Dir die Zementpocken an den Hals, dann kannst Du Bunker bauen, Du dreckiges, schwindsüchtiges Pestbeulengesicht!”

“Typisch niederländisch – Die Niederlande von A bis Z” ist sehr zu empfehlen für Reisende, die mehr über das Land, seine Bewohner und deren Mentalität erfahren wollen, als es Reisführer können. Das Buch ist randvoll mit Informationen, und das im wahrsten Sinne des Wortes: Wo andere Bücher auch mal gern durch einen breiten Rand glänzen, nimmt dieser im vorliegenden Werk gerade mal einen Zentimeter Platz ein. Viel Information gegenüber wenig weißer Fläche.

“Typisch niederländisch – Die Niederlande von A bis Z” von Gerd Busse

ISBN: 978-3896884701

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