Die Durchquerung eines Prils (Copyright www.nordseetourismus.de)

Die Durchquerung eines Prils (Copyright www.nordseetourismus.de)

Der Morgen beginnt zaghaft und dann mit einem flammenden Orange; der Himmel in der winterlichen Dämmerung ist dramatisch. Die Wolken sind vom nächtlichen Ostwind zerrissen und stehen nun in Windstille von Horizont zu Horizont. Es scheint, als ob der Wind zum Anbruch des neuen Tages eine Atempause einlegt. Eine Schar Gänse fliegt vorüber, mit sehnsuchtsvollen Rufen. Die Nacht verschwindet im Westen mit einem bleiernen Grau, dort liegt das Watt; unergründlich, still. Menschenleer und gottverlassen; draußen die Kette der Hallig-Warften wie eine Illusion. Einsam im großen, weiten Nichts. Selbst die riesigen Vogelschwärme sind fortgezogen, weiter weg vom Winter.

Erste Sonnenstrahlen brechen durch und tasten zögerlich über das Watt, so als wollten selbst sie diese Ruhe nicht stören, dann greifen sie nach einer fernen Hallig. Und nun tauchen doch ein paar Leute auf; Atemwolken vor den Gesichtern und Gummistiefel im Gepäck, Thermosachen an und Mützen auf. „Hier in Schlüttsiel bleiben die Autos stehen und euer Gepäck stellt ihr bitte auf diesen Wagen hier, der geht gleich auf die Fähre nach Langeneß, eure Sachen sind nachher im Hotel auf der Hallig. Wir fahren jetzt mit dem Bus nach Dagebüll, von dort laufen wir los und morgen fahren wir mit der Fähre von Langeneß hierher nach Schlüttsiel zurück.“ Das sagt Bernd „Wattenloeper“ Dummer, er führt die Gruppe. Wattwanderungen im Winter haben auch etwas von einer kleinen Expedition; ins Ungewisse, ins Unbekannte, ins Phantastische, diese morgendliche Szene hatte ohnehin etwas Traumhaftes.

Dagebüll, am Deich. Watt und Himmel inzwischen in unentschiedenem, gleichgültigem Grau, Hochnebel hat sich gebildet. Zu unterscheiden nur durch einem schmalen, schwach rosafarbenen Streifen Horizont, auf der eine einsame Hallig schwebt. Fern, fremd, irreal. Eine Treppe führt hinab in das Wattenmeer, der Weg hinaus ins große, weite Nichts. Es ist diesig und unter dem Hochnebel liegt eine vollkommene Stille. An diesem Wintermorgen führt Bernd Dummer seine kleine Gruppe … – ja, wohin? In ein kaltes Niemandsland? In eine erfrorene Zwischenwelt; nicht mehr Land, noch nicht Meer? Nicht wenige Wattenläufer fragen sich an diesem Wintermorgen, was sie da draußen erwartet.

Himmelsfarben zum Beispiel: „Das Blau des Himmels ist bei klarem Himmel ein ganz anderes als im Sommer. Es scheint zu leuchten und die unterschiedlichen Blautöne, von strahlendem Hellblau bis leuchtendem Dunkelbau, findet man nur so im Winter“, verspricht Bernd Dummer; abwarten aufs Aufklaren. Und auch dies: „Die Weite im Wattenmeer scheint noch größer zu sein – sicherlich auch, weil niemand anderes unterwegs ist.“ Die Abwesenheit menschlichen Tuns und die Stille schaffen das Gefühl, in einem unendlichen Raum unterwegs zu sein.

Eine schöne Alleinsamkeit also, das ist gewiss. Zeit und Ruhe zum Entdecken; bei Wattwanderungen im Winter hat man diese Wildnis für sich allein – ungestört und ganz weit weg vom Rest der Welt. Und wenn Ebbe und Flut im ewigen Rhythmus der Gezeiten während strengem Frost Eisscholle um Eisscholle gestapelt haben, dann wird dies ein Spaziergang in arktischer Faszination. Nicht jeden Winter gibt es einen – im wahren Wortsinn – Eis-„Gang“, aber eine Wattwanderung im Winter ist ein besonderes Erlebnis. So oder so. Denn: „Bei schönem Wetter ist die Luft so unglaublich erfrischend. Und sollte es einmal feucht und windig sein und das Ende der Tour einfach nicht kommen, so ist die Ankunft auf der Hallig umso schöner. Durch den Kontrast scheint es später in der warmen Gaststube noch gemütlicher – auch durch das gerade gemeinsam Erlebte“, sagt Bernd Dummer.

Die kleine Gruppe, die meisten der Teilnehmer sind erfahrene Wattwanderer und einige mit Wintererfahrung, läuft der Nordsee hinterher. Bernd Dummer plant die Wattwanderung so, dass „…wir auch bei hohem Wasserstand möglichst günstig durch den großen Priel kommen – denn da müssen wir nachher durch!“ Nachher, dass ist kurz vor der Hallig Langeneß. Die Tour führt von Dagebüll vorbei an der Hallig Oland, die linkerhand die Gruppe auf der gesamten Tour als Wegmarke und Silhouette begleitet, zum östlichen Ende der langestreckten Hallig. Steten Schrittes verlässt die Gruppe das Festlandsufer und taucht ein in den großen, leeren Raum, der so seltsam verlassen unter einer fahlen Morgensonne liegt.

Während im Sommer mancherorts hunderte von Leuten im Watt unterwegs sind, ist die Zahl der Wanderer im Winter auf ein Minimum beschränkt; die Gruppen sind klein und man hat nun das Gefühl, wirklich allein unterwegs zu sein. Auch dies macht die Faszination einer Wattwanderung im Winter aus; die Exklusivität. „Weil wir so wenige sind, wird es gelegentlich ganz von alleine still. Dabei nimmt man unbewusst die Weite und die Naturgeräusche um sich herum wahr. Seien es Vögel, der Wind oder einfach nur die Stille“, hat Bernd vor der Tour versprochen. Wohl wahr: Man geht nebeneinander und kommt dann und wann ins Gespräch … oder man geht einfach nur mal so für sich – genießt die Umgebung oder hängt seinen Gedanken nach. Eben ohne den nächsten Nachbarn in unmittelbarer Hör- und Reichweite (und genau deswegen ist das später folgende abendliche Beisammensein mit Grünkohl und Musik noch ´mal so schön).
Die Tour von Dagebüll quer rüber nach Langeneß führt über sehr gut zu laufendes Sandwatt, bis auf eine Strecke von 20, 30 Meter reichen dafür normale Gummistiefel aus. Wie wir das mit dem Priel erledigen, sehen wir gleich. Es ist an diesem Morgen bislang auch völlig windstill. Auf der ebenen Wattfläche steht noch immer eine Handbreit Wasser und diese wirkt wie ein riesiger Spiegel; grau und glatt von Horizont zu Horizont. Wo die Schritte in das Wasser schlagen, zerreißen die Wellen den Schatten der Läufer zu einem bizarren Zerrbild.

Bernd nimmt einmal mit dem Kompass Maß und geht an Oland vorbei in südwestliche Richtung auf die Hallig Langeneß zu. Immer weiter driftet die Gruppe vom Festland ab und verliert allmählich den Bezug dazu; im Osten begrenzt der Lorendamm diese Wattfläche im Nordwesten strömt die gewaltige Norderaue – einer der größten Priele im Watt. Eisgrau der Himmel und es reicht nach Schnee. Aber bald schon lösen sich die Wolken auf und verschwinden wie Nichts und die Farbpalette ändert sich mit stetig stärker strömenden Lichts von sanften, pastelligen Rot- und Orangetönen, zu eiskaltem Blau; von diffuser Dämmerung zu kristallklarer Reinheit. Dieses Licht lässt eine Schar Enten, die entfernt auf einer Sandbank sitzt, magisch aufleuchten, so als würden sie von Innen strahlen.

Nun flutet dieses typische Licht aus dem Himmel, das es nur im Norden gibt. Hier und heute ist es besonders klar und rein; strömend und strahlend, kalt wie aus dem Weltraum. Auch die Luft ist frisch, erfrischend für Körper und Geist, ebenfalls rein wie ein Kristall. Die Kameradschaft, auch das fällt schnell auf, ist eine ganz andere als sonst; angenehmer und schöner. Ein unausgesprochener Zusammenhalt, schließlich wird man über Nacht bleiben und nachher noch zusammensitzen. „Wir ticken hier doch auf gleicher Wellenlänge“, sagt einer; wohl war.

Etwa zwei Stunden nach dem Start hat die Gruppe den Priel erreicht, er trennt die Wattfläche von Langeneß von der des Festlandes, noch immer strömt das Wasser der Nordsee hinterher. Bernd, wie immer vorneweg, geht vorsichtig und Schritt um Schritt in diesen „Fluss des Meeres“, testet die Tiefe. „Das Watt unterliegt einer unglaublichen Dynamik, du weißt nie ganz genau, wie sich der Priel verändert hat – das kann innerhalb weniger Wochen ganz anders sein“, sagt er. Und kehrt um, auch der größte Mann in der Gruppe, zwei, drei Leute sind Bernd gefolgt, kommt zurück – zu tief, die Gummistiefel würden beim nächsten Schritt volllaufen.

Dabei ist das gegenseitige Ufer zum Greifen nah. Bernd holt aus seinem Rucksack eine Rolle großer, blauer Mülltüten – und gibt jedem Teilnehmer zwei Stück. Mülltüten? Ja, klar! „Davon zieht Ihr euch jetzt über jedes Bein eine. Für die zwanzig, dreißig Meter durch den Priel reicht das aus!“ Wir stützen uns gegenseitig ab, lassen die Tüten vom – inzwischen aufgekommenen Wind – aufpusten und ziehen sie uns über die Gummistiefel, ziehen sie hoch. Stolpern und staksen dann in den Priel. Der unheimliche Sog des Wassers drückt auf Tüte und Bein, ein merkwürdiges Gefühl.
Die Hallig Langeneß ist jetzt schon klar zu erkennen, weit ist es nicht mehr. die Strecke läuft Bernd zu Beginn einer jeden Wintersaison nochmals ab und ermittelt die beste Route – diesmal, wo der Lorendamm auf die Hallig trifft. Dorthin wollen auch wir. Nun ändert sich der Untergrund abermals: Die einstige zusammenhängende und völlig ebene Fläche weicht einer wilden Abfolge von Sandbänken, Seen und Prielen. Dann plötzlich versinken die Stiefel in tiefem Schlick – und es riecht nicht. Hier wird ein weiterer Aspekt einer winterlichen Wattwanderung deutlich: Die Luft ist immer frisch. Das klärt den Kopf, erfrischt den Geist. Räumt auf und macht Platz für Eindruck, Erlebnis und Erfahrung. Und gleich gibt´s Grünkohl.

Weitere Informationen und Anmeldung zur Wintertour zur Hallig Langeneß bei Bernd Dummer; Tel: 0461-992 7681,Email: bernd.wattenloeper@web.de

Die nächsten Termine für die Wattwanderung zur Hallig Langeneß mit Übernachtung und Grünkohlessen satt/Rückfahrt mit dem Schiff finden statt am:

Samstag, 07. Januar bis Sonntag, 08. Januar 2017
Samstag, 21. Januar bis Sonntag, 22. Januar 2017
Samstag, 04. Februar bis Sonntag, 05. Februar 2017
(genaues Programm/Preise auf Anfrage)

Informationen zur Hallig Oland und Hallig Langeneß auf www.langeness.de

Weitere Tipps für unterhaltsame und besondere Wattwanderungen unter www.nordsee-natuerlebnis.de und auf www.nordseetourismus.de.

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Quelle: Nordseetourismus