Zu Fuß zur Insel Amrum

Bohlenweg durch die Duenen von Nieblum nach Wyk auf Foehr. Bild (c) Föhr Tourismus GmbH / Moritz Kertzscher

Bohlenweg durch die Duenen von Nieblum nach Wyk auf Foehr. Bild (c) Föhr Tourismus GmbH / Moritz Kertzscher

Das Wasser ist abgelaufen. Drüben, jenseits von Föhr, scheinen die Halligen von Langeneß über dem Meer zu schweben. Was hat die Nordsee heute Nacht auf den Strand geworfen? Wracks und Wohlstand – Strandgut war in früheren Jahren ein fester Posten im Ein- und Auskommen der Insulaner. Hier auf Föhr wie anderswo an der Küste. Noch heute wird mancher Insulaner nervös, wenn – sagen wir mal: – Bauholz über Bord geht. Früher achtete ein Strandvogt darüber, dass auch die Obrigkeit ihren Teil abbekam, eine Art Steuererheber für den Strand war er also auch. Heute kann man auf seinen Spuren wandern: Von Wyk auf Föhr bis nach Wittdün auf Amrum führt der Weg – und dazwischen durch das Watt.

Das Meer glitzert silbrig unter der Morgensonne und ein historisches Segelschiff zieht vorüber. Bald wird es zunehmend einsamer am Strand von Föhr. Auf dem Wattboden liegt hier und da ein Stück Treibholz. Auch das war den früheren Bewohnern was Wert, es diente auf den waldarmen Inseln als begehrtes Brennholz. Heute bücken sich Leute nach besonders formschönen oder von Wasser und Wellen fein gemaserten Stücken. Zwei Menschen sind als Silhouetten weit draußen an der Wasserkante zu erkennen, immer wieder heben sie etwas auf. Der Wind frischt auf und rauscht in den seltsam verbogenen Bäumen hinter den Dünen.

Der Umriss des alten Segelschiffes scheint auf dem Horizont zu verweilen. Sonst ist diese Szene seltsam leer; beinahe wie ein Bild aus alten Tagen. Als die Leute nicht zum Vergnügen am Strand unterwegs waren, sondern um was zu suchen. Früher war es eine Fron und heute macht es Freude. Wer einmal etwas Schönes gefunden hat – sei es sogar mit sehr viel Glück ein funkelndes Stück Bernstein -, wird den Blick kaum mehr vom Boden lösen können. Und wird diese seltsame Fiebrigkeit der Friesen verstehen, wenn es an den Strand geht. Was liegt da auf dem Wattboden? Schon bewegen sich andere Leute darauf zu… Es stellt sich als ein Findling heraus. Ein Schemen im glitzernden Restwasser auf endloser Fläche und eine Versuchung hinzugehen gewiss.

Die sanfte Strand- und Dünenlandschaft weicht einem Durcheinander aus Findlingen und angeschwemmten Algen. Hier greift die Nordsee stärker an; erkennbar an den kleinen Kliffs, dem vermehrten Strandgut, den freigespülten Torfschichten. Und hier mündet die Godel in die Nordsee und schafft damit eine Landschaft, die selten geworden ist – eine Salzwiesenlagune. Hinweisschilder mahnen an den Umweg über die Straße; das Gebiet der Godel-Niederung und- mündung ist für Vögel und Pflanzen wertvoll.

Hinter der Mündung liegt Treibgut hoch auf den Strand aufgeworfen; eine Palette und etwas Plastikmüll. Auch Placken von Seegras liegen weit über der normalen Hochwassermarke. Hier steht auch eine Box, in die der Müll aus dem Meer geworfen werden kann. Konnte früher alles, selbst Seegras als Matratzen-Füllung, verwendet werden, ist heute vieles Abfall. Und gefährlich für Fische und Vögel; sie verletzten sich damit oder kommen zu Tode. Auch wenn modernes Strandgut nicht immer zu was Nütze ist, es aufzuheben und vom Strand fortzubringen macht Sinn.

Bald kommt Sylt in Sicht. Amrum scheint zum Greifen nah – und doch ist der Wattweg hinüber nach Amrum ohne Ortskenntnis und Erfahrung gefährlich und sollte nie ohne fachkundige Begleitung stattfinden. In Utersum endet die erste Etappe. Am kommenden Morgen geht es von Dunsum hinüber nach Amrum – und das in einem großen Bogen. Die Direkte von Utersum zur Nordspitze der Nachbarinsel ist vor Föhr durch einen tiefen Priel versperrt, der auch bei tiefster Ebbe nicht passiert werden kann. Es ist gut zweieinhalb Stunden vor Niedrigwasser als die Gruppe die Treppe auf den Meeresboden hinabsteigt. Zweieinhalb Stunden vorher deshalb, erklärt der Wattführer, weil unmittelbar vor Amrum ebenfalls ein Priel verläuft, der nur bei Niedrigwasser gequert werden kann. Bis dahin muss er die Gruppe an den Rand dieses „Flusses auf dem Meeresboden“ geführt haben.

Noch eilt Wasser in kleinen Prielen der Nordsee hinterher. In der Ferne ist Sylt mit seiner Südspitze und dem Leuchtturm von Hörnum zu erkennen. Ein Muschel-Kutter schiebt sich in der Weite hinten vorüber. Auch das macht den Reiz aus, auf den Spuren des Strandvogtes zu wandern – die Vielfalt der Eindrücke. Gestern die Reetdachromantik und heute führt die Wanderung über den Meeresboden in eine faszinierende, fremde Welt, in der der Mensch eigentlich nichts zu suchen hat.

Ungezählten Schiffen wurde die Küste Nordfrieslands – und gerade hier im Bereich von Amrum – zum Verhängnis. Vieles davon ist längst verschwunden, die „City of Bedford“ allerdings kann man noch besichtigen. Vielmehr: das, was noch davon übrig ist – Spanten stecken im Meeresboden und skizzieren den Umriss des Schiffes. Die Sonne taucht das Watt in ein freundliches, klares Licht, der Boden glitzert golden und sanft. Kaum zu glauben, dass sich hier Tragödien abspielten. Ein steter Wind weht durch diesen leeren Raum und in ein paar Stunden wird das Wasser wieder zweieinhalb Meter hoch stehen.

Hier ertranken im Februar des Jahres 1825 drei Menschen. Die „City of Bedford“ war auf dem Weg von England nach Dänemark und wurde durch ein Unwetter in diese Gewässer getrieben und ging unter. Ein Fall für den Strandvogt; er war auch für das Bergen verantwortlich. Die Toten liegen auf dem Friedhof von Süderende auf Föhr begraben. Und das Holz der „City of Bedford“ konnten die Insulaner gewiss gut gebrauchen. Die zahlreichen Schiffsunglücke waren ein fester Posten im Einkommen der Leute von Föhr und Amrum. Mit falschen Feuern (diese zu verhindern war auch Aufgabe des Strandvogtes), so die Legenden, lockten sie einst Schiffe in den Untergang. Um sich am Strandgut zu bedienen oder Bergelohn zu kassieren. So mancher Balken in den historischen Häusern auf den Inseln stammt aus solchen Unfällen und hat die Jahrhunderte überdauert.

Sandbänke und Priele wechseln sich in immer wilderer Folge ab, je näher die Wanderung an den großen Priel vor Amrum führt. Immer wieder führt der Weg durch knietiefe Lagunen und auf ebenso hohe, steile Sandwälle hinauf. Die Gruppe macht eine Pause, manche Leute ziehen die Hose aus. Der Priel vor Amrum reicht heute bis über die Knie. Das Wasser darin strömt mit einem irritierend starken Zug. Ein paar Schritte noch und Amrum, die dritte Etappe, ist erreicht. Wer mag, kann in Norddorf Quartier nehmen. Dann bleibt für den Nachmittag genug Zeit, die Nordspitze Amrums, die Odde, zu umrunden. Hier hat die Natur freie Bahn; Wind, Wasser und Wellen formen und verändern diese ungebändigte Landschaft ständig. Im wilden Westen, an der Nordsee-Seite, schmiegt sich eine der größten Sandmassen Europas an die Insel – der Kniepsand. Der Weg führt in schöner Einsamkeit hinauf zur nördlichen Spitze von Amrum. Dort steht eine kleine Plattform, von der man mit etwas Glück und einem Fernglas Seehunde – und manchmal sogar Kegelrobben – beobachten kann.

Die letzte Etappe führt am kommenden Tag von Norddorf wieder zurück an den Strand, von dort geht es nach Südosten, das Ziel ist Wittdün. Der Strand wird immer breiter. Die Dünen sind im Dunst kaum noch zu erkennen, draußen läuft die Nordsee dröhnend auf den Kniepsand. Die Welt hier draußen ist ein Refugium auf Zeit, bei Sturmflut rollen die Wellen bis an den Inselrand, überfluten den Kniep, formen ihn, räumen Dünen ab. Aber:

Die Nordsee nimmt, die Nordsee gibt. Zwischen den Dünen am Inselrand duckt sich eine kuriose Bude. Sie ist erbaut und eingerichtet aus allem, was das Meer hergab. Errichtet aus Brettern und Balken. Heute geht sehr viel seltener etwas über Bord, so dass es für die Buden-Erbauer schwieriger wird, Materialien zu finden. Wer aber die Tür zu „Achim´s Strandburg“ öffnet, betritt ein Kuriositätenkabinett, dessen was das Meer hergibt. Eine Figur mit Haaren aus rotem Netz wacht am Eingang, die Tür ist mit Sand zugeweht und muss freigeschaufelt werden. Im Inneren stehen Tisch und Bänke aus Treibholz, ein Wandschrank gefertigt aus einer hölzernen Weinkiste. Das Hüttenbuch vermerkt Besucherkommentare und manch einsamer Wanderer hat hier drin schweres Wetter abgewartet. An der Decke baumelt ein Mobile aus Silberpapier und Muscheln, ein Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Spiel – ebenfalls aus Fundstücken gebastelt – wartet auf den Zeitvertreib. Turnschuhe hängen an der Wand und ein Tierskelett.

Weiter, auf dem Weg nach Wittdün, entstehen im Sommer auf dem Kniepsand richtige kleine Lauben. Im Herbst werden sie zerlegt und flutsicher im Sand vergraben. Eine Piratenflagge knattert im Wind, die Hängematte darunter schaukelt. Einst entstand hier jedes Jahr eine richtige Kolonie dieser Strandhäuschen. Damals, als es noch einen Strandvogt gab und reichlich Treibholz. Wolken bauen sich auf und strahlen weiß vor einem zunehmend dunkler werdenden und drohenden Hintergrund. Der Weg nach Wittdün führt in eine wilde und romantische Dünenlandschaft. Es wird wieder Sturm geben über der Nordsee und die Wellen werden was auf den Strand werfen. Und manch Insulaner wird wieder unterwegs sein. Am Strand; kontrollieren und was sammeln. Lange, bevor das irgendjemand sieht.

Infos zu den Touren

Der „Strandvogt-Weg“ ist kein ausgewiesener Fernwanderweg wie in den Alpen oder Mittelgebirgen. Er ist Idee und Anreiz, auf den Spuren der damaligen Strandvögte auf den Inseln Föhr und Amrum, sowie im Rahmen einer geführten Tour im Watt zwischen den Inseln zu wandern. Strandvögte vertraten in früheren Jahren die Interessen der Obrigkeit zum Beispiel bezüglich Strandfunden und Strandungen von Schiffen und waren zum Beispiel verantwortlich für die Bergung, sowie für das Ermitteln von Steuern und Bergelohn aus solchen Fällen. Dieser Törn verlauft am Strand entlang – aber es lohnen sich Abstecher ins Hinterland: Auf Föhr zum Beispiel in das Friesendorf Nieblum mit seinen hübschen Reetdachhäusern oder zur historischen Stätte „Lembecksburg“. Auf Amrum zum Beispiel über die Vogelkoje mit dem rekonstruierten Steinzeithaus in das Friesendorf Nebel – ebenfalls Reetdachromantik! – mit seiner Windmühle. Zwischen den Inseln wird im Watt gewandert – und das nur mit fachkundiger Führung! Termine für geführte Wattwanderungen von Föhr nach Amrum oder umgekehrt sind unter www.foehr.de/veranstaltungskalender oder www.amrum.de/veranstaltungen zu finden.

Es empfiehlt sich, den Strandvogt-Törn in drei Etappen zu bewältigen; mit Übernachtungen in Utersum/Föhr und Norddorf/Amrum. Bei diesem Tourenvorschlag ergibt sich eine Gesamt-Streckenlänge von ca. 34 Kilometern. Start und Ziel ist Wyk bzw. Wittdün (oder andersherum), geführte Wattwanderungen gibt es ganzjährig, mit dem Schwerpunkt während der Urlaubsaison (Anmeldung!). Die Strecke ist kurzweilig und in ihren Abschnitten familientauglich, die Wanderung über den Meeresboden ein besonderes Erlebnis dieser Tour. Außerdem ist sie abwechslungsreich – interessant von den Blumen der Salzwiesen, den Vögeln des Meeres bis zu Kegelrobben und Seehunden. Beindruckend hinsichtlich der Landschaft wie den Dünen, dem endlosen Kniepsand und dem Watt. Ein toller Trip zu jeder Jahreszeit.

Karten- und Informationsmaterial ist in den Tourist-Informationen auf Föhr und Amrum kostenpflichtig (ab 2,50€) erhältlich.

Föhr Tourismus GmbH
Telefon: 0 46 81 – 300
urlaub@foehr.de
www.foehr.de

Amrum Touristik AöR
Telefon: 0 46 82 – 94 03 0
info@amrum.de
www.amrum.de

Quelle: Nordsee-Tourismus-Service GmbH

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